Pulverfass Wachstumsmarkt China – in Gold investieren

Pulverfass Wachstumsmarkt China – in Gold investieren
Mehr als zehn Prozent seiner Fahrzeuge setzt Volkswagen mittlerweile in China ab. Viele andere Firmen sehen in China ebenfalls einen strategisch wichtigen Wachstumsmarkt. Aber die Angst vor China nimmt zu. Nicht mehr die Volksarmee des bevölkerungsreichsten Landes der Erde flößt den großen Industrieländern Angst ein, sondern seine Industrialisierungspolitik. Sowohl die USA, Japan und Südkorea, als auch die Europäische Union sehen angesichts hoher Handelsüberschüsse und wachsender Devisenreserven im Reich der Mitte dringenden Aufwertungsbedarf für die Landeswährung Renminbi. Der europäische Notenbankchef Wim Duisenberg bewertete Chinas Wechselkurspolitik als eine der größten Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung Europas

Durch die feste Anbindung der chinesischen Währung an den US-Dollar können die Vereinigten Staaten keine Abwertung gegenüber dem Renminbi herbeiführen. Somit gibt es kein Ventil, aus dem Druck abgelassen werden kann zur Normalisierung des riesigen Leistungsbilanzdefizits der USA. Chinas Ausfuhren in die EU wuchsen 2003 um über vierzig Prozent, in die USA um weitere 35 Prozent – Tendenz steigend. Amerika importiert jedes Jahr viel mehr Waren und Dienstleistungen vom Rest der Welt, als es dorthin ausführt und muss entsprechende Kredite dafür aufnehmen. In der modernen Wirtschaftsgeschichte gibt es keinen Fall, in dem so etwas auf Dauer gut ging. Am Ende stand immer eine Wirtschafts- und Währungskrise.

Die Währungshüter in Europa wussten das und hatten daher die deutliche Euro-Aufwertung hingenommen. Allerdings waren sie nicht bereit und auch nicht in der Lage, die gesamte Last der amerikanischen Verschuldung zu tragen. Ohne die Mitwirkung der asiatischen Länder, die sich bisher allen Abwertungsbemühungen der Amerikaner widersetzt hatten, konnte das Gleichgewicht im internationalen Währungssystem nicht mehr hergestellt werden. Japan, das in einer Dauerkrise steckte, vertrat zum Teil mit guten Argumenten die Ansicht, es könne sich eine kräftige Aufwertung zum Dollar nicht leisten. Die meisten anderen asiatischen Länder hatten wie China ihre Währungen ebenfalls an den Dollar gekoppelt und werteten daher immer schön fleißig mit ab, wenn der Dollar fiel. Solange dieser Zusammenhang bestand, konnte also auch Japan nicht anders, als sich gegen eine Dollarabwertung zu stemmen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Aus diesem Grund wuchs der Druck auf China.

Denn China ist ein bedrohlicher Konkurrent für die Schwellenländer Asiens. Das Land überschwemmt mit seinen Massen von Billigprodukten den Globus, da ein Milliardenheer unterbeschäftigter und extrem billiger Arbeitskräfte zur Verfügung steht. Wenn die asiatischen Länder gegenüber dem Dollar aufwerten würden und China seine Dollarbindung beibehielte, würde sein Vorteil und seine Vorherrschaft noch größer. Die Forderung, dass China seiner gewachsenen weltwirtschaftlichen Verantwortung gerecht werden müsse, ist für das Land sehr schwer zu erfüllen. Die chinesische Regierung sitzt auf einem sozialen Pulverfass: nur eine weiterhin stark wachsende Wirtschaft kann die Probleme von hoher Arbeitslosigkeit und nicht vorhandenem sozialen Netz beherrschbar machen. Eine Folge davon waren riesige Überkapazitäten in vielen Industrien – nach offiziellen Zahlen bei über achtzig Prozent der wichtigsten Produkte. Chinas Regierung machte sich daher Sorgen über die Folgen der Handelsüberschüsse und die schnell wachsenden Devisenreserven.

Experten warnten inzwischen vor dem rasanten Produktionsanstieg und einer Überhitzung der Wirtschaft. Das Handelsblatt zitierte im Juli 2003 einen Hongkonger Finanzexperten: „Es wäre schwierig, irgendeine Nation ausfindig zu machen, die sich irgendwann im Industriezeitalter weiter vom ökonomischen Gleichgewicht entfernt hat als China.” Die Wirtschaftsfachleute sorgten sich vor allem um das enorme Wachstum der Kreditmenge, die drei bis vier Mal so schnell anstieg wie das Bruttoinlandsprodukt. Die schlimmste Blase baute sich im Immobiliensektor auf, der über ein Viertel der gesamten chinesischen Wirtschaftsleistung ausmachte. Durch günstige Kredite wurde der Sektor weiter angeheizt und über 70 Prozent des eingesetzten Kapitals waren demzufolge Bankkredite. Dies führte dazu, dass bei den Banken bereits mehr als ein Drittel des gesamten Portfolios aus Immobilienkrediten bestand.

Das Problem an der Situation bestand vor allem darin, dass China einerseits weiterhin ein starkes Wachstum brauchte, um das Pulverfass nicht explodieren zu lassen und sich deshalb eine Abkühlung des Immobiliensektors nicht leisten konnte. Andererseits wuchs damit das Risiko einer Bankenkrise durch faule Immobilienkredite ständig an. Hinzu kam, dass auch China – ähnlich wie die USA – ein dramatisches Rentenproblem hat. Nachdem sich das Land zunächst schrittweise, dann immer progressiver der Marktwirtschaft zugewandt hatte, entstanden Probleme, die unter dem früheren streng kommunistischen Regime nicht existiert hatten.

Die Gesetze des Kapitalismus forderten ihren Tribut, als die marode Staatswirtschaft begann, verstärkt Arbeiter zu entlassen. Seit 1998 hatten mehr als 40 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren und das wirkte sich sehr schnell auf den staatlichen Pensionsfonds aus. China hat eine vergleichsweise gesunde Bevölkerungsstruktur mit nur 6 Prozent der Bevölkerung, die älter als 65 Jahre sind. Dies ist fast noch die idealtypische Grundlage, auf der auch die westlichen Rentensysteme einmal aufgebaut waren. Die Auswirkungen der jahrzehntelang von der Regierung gesteuerten Ein-Kind-Politik werden jedoch schon in den nächsten Jahren zu veränderten Strukturen führen und auch in China werden immer weniger junge Menschen eine steigende Anzahl von Rentnern finanzieren müssen. Die unter dem Zwang der Gewinnerzielung getätigten Entlassungen der vergangenen Jahre wirken sich aber bereits jetzt auf die Altersversorgung in China aus, da weniger Arbeiter auch weniger in den Pensionsfonds einzahlen.

Um die Rentenkassen aufzufüllen, plante die Regierung den massiven Verkauf von Anteilen, die das Land an Börsengesellschaften hält. In China halten Ministerien oder Staatsfirmen etwa zwei Drittel der Anteile von über 1.200 börsennotierten Firmen, damit die Kontrolle in den Händen des Staates bleibt. Mitte des Jahres 2003 holte man alte Pläne wieder aus der Schublade, die schon zwei Jahre zuvor hätten umgesetzt werden sollen. Damals, im Sommer 2001 hatte die Regierung erstmals den Verkauf staatlicher Anteile bekannt gegeben. Daraufhin stürzten die betroffenen Aktien um 30 Prozent ab, weil die Anleger eine Flut von Verkäufen befürchteten und lieber ihre eigenen Papiere am Markt loswerden wollten, bevor der große staatliche Ausverkauf begann. In dieser Verkaufspanik verloren Chinas Anleger 145 Milliarden Dollar. Die Regierung gab ihre Pläne auf, um weitere Verluste zu verhindern. Auch beim nächsten Anlauf zwei Jahre später waren viele Analysten und vor allem einheimische Investoren skeptisch, denn ein Verkauf von bis zu 90 Prozent der staatlichen Anteile würde die Kurse erneut stark unter Druck setzen (22).

Die wohlgemeinten Kaufempfehlungen für chinesische Aktien, die viele Analysten, Banken und Investmentgesellschaften zur gleichen Zeit aussprachen, als die alten Maßnahmen zur Rettung der chinesischen Renten wieder diskutiert wurden, waren für westliche Investoren ein schlechter Tipp. Die Chinesen selbst steckten ihre Ersparnisse nicht mehr in die heimischen Firmen, sondern sie hoben ihr Geld auf, um es in Gold zu investieren.