Frankfurt am Main, 28. Juni 1519: König Karl I. von Kastilien und Aragon wird von den Kurfürsten einstimmig als Kaiser H Karl V. zum Herrscher über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gewählt, dem Reich, in dem „die Sonne nicht untergeht“.
Die Wahl des Habsburgers Karl V. hatte allerdings seinen Preis. Sie führte zum kollektiven Wahnsinn der Suche nach El Dorado, dem goldenen Mann mit seinem goldenen Königreich und damit der Eroberung weiter Teile der Neuen Welt durch europäische Konquistadoren.
Karl war gerade einmal für drei Jahre als König von Kastilien und Aragon im Amt, als im Januar 1519 sein Großvater Maximilian I. starb. Dadurch wurde der Thron des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation frei und für Karl galt es nun, rasch zu handeln. Um bei der Wahl eine Chance zu haben, musste sich der junge Karl die Gunst der Kurfürsten mit finanziellen Mitteln sichern.
Zur kurzfristige Erschließung der entsprechenden Geldquellen kamen ihm die gewachsenen Bankverbindungen seines Großvaters sehr gelegen. Zu Maximilians Bankiers gehörten die Fugger und die Welser aus Augsburg und Nürnberg, deren Reichtum sich auf ein Netzwerk von Handelshäusern in Antwerpen, Venedig, Sevilla sowie Tuchmanufakturen, Landwirtschaft, Bergbau und Bankhäuser bis hin zum Überseegewürzhandel aufbaute.
In der ersten Hälfte des Jahres 1519 gewährten die bayerischfränkischen Geldhäuser dem Thron-Aspiranten Karl erhebliche Darlehen, damit er die Kurfürsten für seine Wahl gewinnen konnte. Als Sicherheit musste Karl fast den gesamten Besitz der Krone von Kastilien verpfänden. Zum einen sicherten sich die Welser und die Fugger im Falle der Wahl Karls den entsprechenden politischen Einfluss und versuchten, das Rennen um die Herrschaft über Zentraleuropa zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Auf der anderen Seite hatten die weltoffenen und aufgeklärten Bankiers wahrscheinlich schon die Weitsicht gehabt, dass die Darlehenssicherheit sich nicht nur auf Besitz auf der iberischen Halbinsel beschränken würde. Auf alle Fälle musste mit allen Mitteln die Wahl Karls gesichert werden, denn die unbeliebte Konkurrenz war mit Heinrich VIII. von England und Franz I. von Frankreich nicht zu unterschätzen.
Karl wurde gewählt. Um seine Verbundenheit mit den Gönnern nördlich der Alpen auszudrücken und zur Empörung der Spanier, ließ er sich in Frankfurt am Main zum Kaiser krönen.
Zum Zeitpunkt der Kaiserkrönung waren bereits 27 Jahre vergangen seit Christoph Kolumbus am 12. Oktober 1492 auf der Karibikinsel San Salvador als erster Mitteleuropäer den Boden einer neuen Welt betrat. Die hohen Erwartungen, die durch die Reisen Kolumbus’ in Europa geweckt wurden, wurden erst einmal enttäuscht. Neue Wege in die Gewürzländer sollten erschlossen werden. Aber es kamen keine Gewürze. Stattdessen brachten die Matrosen eines seiner Schiffe nach der zweiten Reise 1494 ein folgenschweres Reiseandenken mit, das sich rasch über Europa ausbreitete, die Syphilis.
Europa hatte die Neue Welt fast schon wieder vergessen, als 1521 die ersten Goldschätze von Schiffen des Spaniers Hernan Cortez eintrafen, der zwischen 1519 und 1522 das Aztekenreich im mexikanischen Hochland brutal erobert hatte. Mehr und mehr Gold kam aus der Neuen Welt nach Europa und es ist bemerkenswert, dass der zweite und dritte Brief von Cortez an seinen König mit der ersten Karte der sagenhaften Aztekenhauptstadt Tenochitlan (das heutige Mexico City) in Nürnberg gedruckt wurde, der Stadt, aus der die Welser ursprünglich stammten. War es daher Zufall, dass am 3. Januar 1528 zwischen den Weisem und der Krone der berühmte Vertrag von Burgos geschlossen wurde, der den Weisem das Privileg zur Kolonialisierung des nördlichen Teils Südamerikas übertrug? Der Vertrag beschrieb ein Ausbeutungsrecht zugunsten der Welser, das als Sicherheit für die gut zehn Jahre zuvor geliehenen Gelder zu betrachten ist, mit denen Karl seine Wahl überhaupt ermöglichte.
Die Kettenglieder der historischen Ereignisse werden deutlich: Wahl Karls V. zum Kaiser mithilfe von Geldern der Welser, Ankunft Cortez mit Teilen des Aztekenschatzes, Vertrag über die Ausbeutung des jüngst entdeckten Festlandes von Südamerika, einem Gebiet was man heute Venezuela nennt. Nicht umsonst wird der Name Venezuela von Venedig abgeleitet. Die Pfahlbauten der Indianer im Maracaibo-See erinnerten die ersten Europäer doch sehr an Venedig, einer der wichtigsten Handelsplätze der Welser.
Mit den vertraglich zugesicherten Rechten in der Tasche organisierten die Welser mit eigenen Schiffen die ersten Expeditionen in Richtung Karibik. Erster Anlaufhafen war Espanola, das heutige Santo Domingo auf der Insel Haiti. Seit der Zeit Kolumbus’ war Espanola Dreh- und Angelpunkt aller in der Neuen Welt entdeckten Gebiete. Bereits gegen Ende 1528 hatten die Welser in Santo Domingo eine eigene Organisation aufgebaut. Ziel war es, im Sinne einer wohl geplanten Geschäfts-strategie von hier aus Venezuela zu erobern und auszubeuten. Besonders interessierte dabei Gold. Was der Spanier Cortez aus Mexiko an Gold mitgebracht hatte, wollte man mit dem nördlichen Südamerika noch übertreffen.
Von Santo Domingo aus erreichte man die Küstensiedlung Coro östlich des Maracaibo-Sees in einer Seereise von nur drei Tagen. Von Coro aus versuchten nun zwischen 1529 und 1545 in drei nachfolgenden Expeditionen die jeweiligen Statthalter der Welser, die sagenhaften Reichtümer der neuen Welt für die Welser sowie für die Krone, der im Rahmen des Vertrages von Burgos ein Fünftel zustand, und auch für die katholische Kirche zu erschließen. Es waren dabei drei wackere Schwaben und nicht etwa Spanier durch die das nördliche Südamerika seine ersten kolonialen Erfahrungen machte.
Den Anfang machte Ambrosius Dalfinger, oftmals auch als Micer Ambrosio in spanischen Dokumenten erwähnt. Ambrosius wurde 1500 in der Reichsstadt Ulm geboren, zu der Zeit eine Stadt mit 40.000 Einwohnern, die mit London zu den einwohnerstärksten Städten Europas zählte. Er war erster Statthalter der Welser über Venezuela und traf am 24. Februar 1529 in Coro ein. Die Welser erschlossen die Reichtümer der Neuen Welt für sich, die Krone und die katholische Kirche.
Im August 1529 brach Dalfinger mit 180 Gefolgsleuten, teils beritten, überwiegend aber zu Fuß, und indianischen Trägern auf, um das Gebiet westlich des Maracaibo-Sees, dem heutigen Grenzgebiet zwischen Venezuela und Kolumbien, zu erkunden. An dieser Reise nahm auch Esteban Martin, ein Dolmetscher, teil, der für den König das Reise- Logbuch schrieb und der bei allen zukünftigen Expeditionen als Schriftführer eine wesentliche Rolle spielte.
Im Kontakt mit den Eingeborenen stieß man gelegentlich auf kunstvoll geschmiedete Armbänder, Ohrringe, Nadeln oder Figuren aus purem Gold. Die Truppe um Dalfinger war natürlich auf das Höchste daran interessiert, woher die recht einfachen und handwerklich augenscheinlich weniger versierten Stämme derartig verarbeitete Objekte hatten. Esteban Martin konnte aus den Erzählungen der Indianer entnehmen, dass das Gold weit entfernt aus den Bergen des Landesinneren stammte. Dort gäbe es ein Volk, das nicht nur mit Gold handele, sondern auch reich an grünen Steinen sei, die, wie sogleich richtig gedeutet wurde, Smaragde sein müssten. Dieses Volk aus den Bergen benutzte Schmuckgegenstände und Figuren aus dem gelben Metall, um diese bei den Indianern der tieferen küstennahen Zonen gegen Korallen, Perlen, Muscheln, Hartholz und Baumwolle einzutauschen. Zum ersten Mal kam einem Europäer die Geschichte von einem weit entfernten Volk zu Ohren, ein Volk derart reich an Gold, dass es damit weit über seine Grenzen hinaus Handel trieb und das auch noch hochentwickelte Fähigkeiten in der Goldschmiedekunst und Verarbeitung besaß: Die Sage von El Dorado, dem goldenen Mann und der goldenen Stadt war geboren.
Dalfinger gelang es allerdings nicht, tiefer ins Landesinnere vorzustoßen. Hunger, Hitze, Krankheiten und gelegentliche Angriffe der Eingeborenen machten der Truppe schwer zu schaffen. Nachdem Dalfinger bis in die Bergketten westlich des Maracaibo-Sees vorgestoßen war, musst er umkehren. Nach knapp zehn Monaten wankten er und der Rest seiner Mannschaft völlig außer Kräften im April 1530 nach Coro zurück. Obwohl er bei dieser Expedition die Siedlung und heutige Millionenstadt Maracaibo gegründet hatte, konnte er keine großen Schätze oder andere wirtschaftlich nutzbaren Erfolge von dieser Reise mitbringen, aber der Sirenruf „El Dorado“ begann sich rasch auszubreiten.
Nachdem die Vertreter der Welser fast ein Jahr nichts von ihrem Statthalter gehört hatten, mussten sie natürlich handeln. Das Stammhaus in Augsburg wurde informiert und ein neuen Gouverneur wurde nach Coro entsandt. Wenige Tage bevor Ambrosius Dalfinger halb tot nach Coro zurückgekehrt war, wurde Johannes Seissenhofer als Gouverneur eingesetzt. Die spanischen Repräsentanten der Krone in Coro konnten sich diesen Namen kaum merken oder gar aussprechen, brauchten sie auch nicht, denn der neue Gouverneur starb wenige Wochen nach seiner Ankunft.
Der seit der Expedition schwer kranke Dalfinger wurde wieder als Gouverneur und Statthalter der Welser eingesetzt. Gemeinsam mit Johannes Seissenhofer kam ein weiterer Schwabe und Vertrauter des Hauses Welser zu den Kolonialisten in Coro: Nikolaus Federmann von Ulm, der Jüngere. Ein erst 24 Jahre junger, tatendurstiger Mann mit rotem Bart, den die Spanier gerne „unseren Barbarossa“ nannten.
Der fiebernde Dalfinger berichtete Nikolaus Federmann von seinen Expeditionserfahrungen, allerdings ohne dabei viele Details über die Geschichte um das goldreiche Volk zu erwähnen. Aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands ernannte Dalfinger am 30. Juni 1530 den Neuankömmling zum Vizegouverneur und Bürgermeister von Coro und stattete ihn mit den nötigen Vollmachten aus. Dalfinger ließ sich nach Santo Domingo ausschiffen, in der Hoffnung, sich dort von seiner schweren Krankheit erholen zu können. Lange hielt es Federmann nicht in Coro aus. Der Ruf El Dorados ließ ihn nicht ruhen. In weniger als drei Monaten nach seiner Amtsübernahme machte er sich im September 1530 mit einer Truppe aus 100 spanischen Fußsoldaten und 16 Reitern auf den Weg.
Im Gegensatz zu Dalfinger, dessen Expedition nach Westen ging, marschierte Federmann in Richtung Süden. Das hatte seinen Grund in Nachrichten aus dem Umfeld von Francisco Pizzaro, der im Namen der spanischen Krone schon 1527 nach der Überquerung des Istmus von Panama mit Schiffen die Pazifikküste nach Süden gesegelt war. Auch Pizzaro folgte dem Gerücht von südlichen Goldländern und ging 1527 bei Tumbes im nördlichen Bereich des mächtigen Inkareiches an Land. Dort tauschte er vor seiner Umkehr prächtige Goldgegenstände und Webereien ein. Aus dem Kreis um Pizzarro drangen nun Gerüchte von El Dorado, das sich allerdings weit im Süden entlang des Mar del Sur, des Südmeeres oder Pazifik, befinden solle. Federmann glaubte nun, dass südliche Meer finden zu müssen, um nach El Dorado zu gelangen.
Federmann kam nicht weit. Nach einer halbjährigen Irrwanderung, die ihn kaum mehr als 150 Kilometer in das Hinterland von Coro führte, kehrten er und seine ausgelaugte und durch Krankheit und Indianüberfälle dezimierte Truppe im März 1531 nach Coro zurück. Dort erwartete ihn der inzwischen genesene und aus Santo Domingo zurückgekehrte Gouverneur Ambrosius Dalfinger. Dieser war aufgebracht, dass Federmann die Expedition ohne seine
Nach vergeblichen Irrwanderungen kehrte Feder- mannnach Coro zurück.
Erlaubnis unternommen hatte, und schickte ihn deshalb ins Exil nach Santo Domingo. Von den Weisem und vom königlichen Rat gedrängt plante Dalfinger seine zweite Expedition. Diesmal wollte er einen Ort namens Xerara finden, von dem er gehört hatte, dass dort das Volk der Xeria Gold im Überfluss habe, sodass es das Edelmetall gegen alles Mögliche, auch Minderwertiges, eintausche. Im Juni 1531 machte sich Dalfinger mit 40 berittenen und 130 Fußsoldaten auf den Weg. Es sollte ein Marsch in den Tod werden.
Dalfinger und sein Truppe stießen nach Westen vor, überquerten den Maracaibo-See und die unwirtliche Bergkette der Sierra de Perijä. Sie bahnten sich einen Weg durch die Südhänge der schneebedeckten Sierra Nevada de Santa Marta und stiegen in das Tal des Magdalena- Stroms hinab. In der fruchtbaren Tiefebene wurden sie von meist friedlichen Indianern empfangen. Mitunter lieferten sie sich jedoch auch kurze, aber heftige Auseinandersetzungen mit weniger friedlichen Stämmen, die die Mannschaft allmählich dezimierten.
Im Tiefland des Magdalena-Stroms hörte Dalfingers Dolmetscher Esteban Martin von den lokalen Indianern immer öfter, was schon Federmann zu Ohren gekommen war: In den Bergen lebte ein Volk, das reich an Goldschätzen sei, grüne Feuersteine (Smaragde) besaß und vor allem Salz habe. Auf die hohen Berge der Kordilleren im Südosten zeigend wurde ihnen immer wieder von Häuptlingen erzählt, dass von dort, woher das Salz stamme, auch das Gold komme.
Inzwischen war Dalfinger seit gut einem Jahr unterwegs. Obwohl der mitgeführte Goldschatz – im Tausch erworben oder auch einfach von den Indianer gestohlen oder erpresst – immer umfangreicher wurde, war die Stimmung auf einen Tiefpunkt gesunken. Krankheiten, Verletzungen, Kämpfe mit Indianern, Hunger und Erschöpfung hatten den Männern arg zugesetzt. Bevor Dalfingers Truppe zum alles entscheidenden Marsch auf die Kordilleren aufbrach, wurde am Magdalena-Fluss ein Lager eingerichtet und es wurden Männer, darunter auch Esteban Martin, nach Coro geschickt, um Nachschub zu holen.