Die Rentenfalle Pensionskrise Finanzkrise – Geschichte vom Gold
Wir gehen auf eine Pensionskrise zu, wenn nicht überhaupt die schlimmste Finanzkrise in der US-Geschichte“, warnte bereits im Oktober 2002 ein unabhängiger Finanzexperte in der angesehenen und führenden US-Anlegerzeitung BARRON’S. Kassiererinnen in Supermärkten, Hausmeister, Fahrer, die über 65 Jahre alt sind gehören in den Vereinigten Staaten zum Alltagsbild. Dass Senioren in den USA noch oder wieder arbeiten gehen, solange es die Gesundheit erlaubt, liegt in erster Linie nicht daran, dass die US-Bürger mehr Spaß am Arbeiten haben als die Europäer. Vielmehr sind mit dem Crash der Aktienkurse die betrieblichen Renten auf ein Niveau gesunken, welches ein Hinzuverdienen auch für über 70-Jährige zur absoluten Notwendigkeit werden lässt. Im Sozialversicherungssystem der USA tickt ebenso wie in Deutschland und den anderen Industrienationen eine demografische und fiskalische Zeitbombe.
Im Jahr 2003 muss der amerikanische Staat für knapp 47 Millionen Rentner aufkommen. Ab dem Jahr 2010, wenn die ersten „Baby-Boomer“ in den Ruhestand gehen wollen, wird es eng und spätestens 2018 ist die öffentliche Altersvorsorge pleite. Würde sich bis dahin am herkömmlichen Rentensystem nichts ändern, müssten dann entweder die Beiträge um mehr als die Hälfte angehoben werden oder die Leistungen um ein gutes Drittel heruntergefahren werden. Deshalb schrillen bei den Sozialexperten die Alarmglocken und sie fordern, das Renteneintrittsalter anzuheben. Bis es zu entsprechenden Gesetzesänderungen kommt, bleibt daher der ohnehin schwer belastete US- Haushalt weiter unter Druck und zusätzliche Kostenlawinen rollen auf den Staat zu. Nach Schätzungen der US-Administration wird sich die Neuverschuldung der Regierung auf 1,9 Billionen Dollar anhäufen
Zwar gibt es in Amerika ein staatliches Rentensystem, doch die gesetzliche Rente macht dort weniger als die Hälfte des Einkommens der Senioren aus. Für die meisten Amerikaner waren deshalb die betrieblichen Vorsorgepläne, eine wesentliche Säule ihrer Altersvorsorge. Das Problem daran ist, dass die dafür eingerichteten Pensionsfonds den Großteil des eingezahlten Geldes in Aktien anlegten. Bei namhaften Unternehmen wie Coca-Cola oder Procter & Gamble haben Mitarbeiter mehr als 90 Prozent ihrer privaten Altersvorsorge in Aktien des eigenen Unternehmens investiert. Tritt dann ein Konkursfall wie beim Energieunternehmen Enron ein, stehen Abertausende von Sparern mit leeren Händen da (10).
Aber auch wenn das Vermögen der Pensionsfonds breiter gestreut ist, gibt es Probleme. Nach Jahren fallender Kurse klafft die Schere zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Rendite der Pensionsfonds immer weiter auseinander. Seit Ende 1999 stiegen die Pensionsverpflichtungen der US- Unternehmen um 70 Prozent schneller als das Pensionsvermögen. Die daraus resultierende Unterdeckung der Fonds zwingt die Unternehmen zu weitreichenden Maßnahmen. Anstatt Gelder in Forschung und Entwicklung oder in technische Verbesserungen investieren zu können, müssen sie die Zusagen an ihre ehemaligen Mitarbeiter erfüllen: die Firmen arbeiten für ihre Rentner anstatt für ihre Aktionäre. Außerdem müssen wegen der weltweiten Rezession in vielen Industrieunternehmen Stellen abgebaut werden. Dadurch hat eine sinkende Zahl aktiver Arbeitnehmer eine steigende Zahl von Betriebs-Rentnern mitzutragen.
Zusätzlich verschärft wird die Situation für die betrieblichen Rentenkassen durch einen weiteren Einnahmenausfall. Die seit Jahren fallenden Zinsen wirken sich auf das Vermögen der Fonds ebenso negativ aus wie auf die Kalkulation künftiger Pensionsverpflichtungen. Die von den Pensionsfonds erwirtschafteten Renditen liegen inzwischen deutlich unter den historischen Durchschnittswerten. Nach offiziellen Schätzungen fehlten bis Mitte 2003 rund 300 Milliarden Dollar in den firmeneigenen Pensionskassen der US-Unternehmen. Alleine der Autokonzern General Motors (GM) hatte bereits Ende 2002 ein Pensionsloch von über 19 Milliarden Dollar. Die Firma hat insgesamt Schulden von über 200 Milliarden Dollar und begab im Juli 2003 die bis zu diesem Zeitpunkt größte jemals emittierte Unternehmensanleihe mit einem Volumen von über 17 Milliarden Dollar, um ihren Pensionsverpflichtungen nachkommen zu können.
Um den unter den drückenden Pensionslasten leidenden Unternehmen das Leben leichter zu machen, plante die US-Regierung Mitte 2003 neue Pensionsregeln. Den Firmen sollte ermöglicht werden, mit einem um bis zu 1,5 Prozent höheren kalkulatorischen Zins für die Pensionsrückstellungen zu rechnen. Dadurch würden die Lasten für die Unternehmen deutlich sinken und die Bilanzen merklich besser aussehen. Die Regierung würde verhindern helfen, dass das Aktienkapital eines Unternehmens von Pensionszahlungen aufgefressen wird (11).
Mit dieser Lösung bietet Amerika eine zusätzliche Alternative zur wundersamen Geldvermehrung durch die Notenpresse. Die Auswirkungen bleiben im Endeffekt jedoch dieselben: das vorhandene Geld wird immer weniger wert und den amerikanischen Senioren widerfährt in absehbarer Zukunft das gleiche Schicksal wie den deutschen in den zwanziger Jahren. In diesem Fall bleibt die Finanzkrise nicht auf die USA beschränkt, sondern Amerika wird das globale Finanzsystem erschüttern und der Wert des Geldes wird sich dann mehr denn je wieder mit Gold messen lassen müssen.