Der Fall Bre-X – Goldlagerstätte

Wie so üblich bei derartigen Verträgen wurde bis zur Rechtsgültigkeit eine einmonatige Due-Diligence-Frist eingeräumt, um die Bücher des Unternehmens eingehend zu prüfen. Für das kanadische Barrick war dies allerdings nur ein sehr kurzer Sieg. Trotz bester Kontakte zu leitenden Regierungsmitgliedern, zur Familie Suharto und zum Bergbau-ministerium hatte Barrick die Rechnung ohne Bob Hasan und dessen US-Verbindungen gemacht.

Hasan, ein chinesisch-indonesischer Tycoon, der ein Milliardenvermögen im Holzgeschäft gemacht hatte, Intimfreund und Golfpartner von Suharto, der zum Ränkespiel zwischen den Kanadiern aber nicht eingeladen war, setzte alles in Bewegung, um den Goldesel Busang nach seinen Regeln unter Kontrolle zu bringen. Dabei war er nicht zimperlich. Zum einen redete er Suharto ein, der extraterritoriale Kampf um Busang zwischen kanadischen Unternehmen schade dem Image Indonesiens. Zum anderen tauchten Zeitungsartikel auf, die Hasan mit den Worten zitierten, dass ein Jude wie Peter Munk in einem moslemischen Land wie Indonesien nicht Mitbesitzer der größten Goldlagerstätte der Welt sein dürfe. Für einen knallharten Geschäftsmann wie Peter Munk, der als achtjähriger Junge mit seinen Eltern 1944 den Nazi-Schergen aus Ungarn entfliehen konnte, disqualifizierte sich Hasan mit dieser Geschmacklosigkeit sicher auf das Äußerste. Aber auch Placer Dome bekam sein Fett weg und wurde in den lokalen Zeitungen mit dem Hinweis auf das große Porgera-Goldprojekt in Papua-Neuguinea als kriminelle Vereinigung von Umweltzerstörern diffamiert.

Freeport betreibt in Indonesien eines der größten Goldprojekte der Welt.

Um eine indonesische Lösung für Busang durchzusetzen hatte Hasan natürlich bereits den idealen Partner parat: Die US-Kupfer- und Goldgesellschaft Freeport-McMoRan Copperand Gold Inc., kurz Freeport, mit Sitz in New Orleans.

Freeport betreibt bis heute im indonesischen Teil der Insel Neuguinea, in der Provinz Irian Jaya, eines der größten Kupfer- und Gold-Tagebauprojekte der Welt, die Grassberg- Mine, und zählt dabei zu den größten Steuerzahlern des Landes. Hasan hatte eine sehr gute persönliche Beziehung zu Jim Bob Moffett, dem Chef von Freeport. Im Free- port-Vorstand sitzt der ehemalige Außenminister der USA, Henry Kissinger. Die Kontakte zur Machtzentrale Washington waren bestens etabliert.

In den ersten Wochen des Jahres 1997 nahm das Intrigen-Spiel seinen vollen Lauf. Bre-X versuchte, durch Pressemitteilungen über neue Bohrergebnisse Stimmung für sich zu machen. Am 13. Januar veröffentlichte die Firma sensationelle Goldwerte von mehr als zehn g/t über die gesamte Länge einer Bohrung von sagenhaften 396 Metern. Der Preis der Aktie zog dementsprechend auf 21,45 CAN-Dollar an.

Bre-X und sein neuer Partner Barrick hatten aber keine Chance. Es war auffallend, dass Barrick, ohne irgendeine verbindliche Entscheidung bekannt zu geben, die Due-Diligence-Frist am 17. Januar 1997 verstreichen ließ. Ahnten die Barrick-Geologen, dass da etwas nicht stimmte? War es nur ein Unglück, dass am 22. Januar ein Feuer im Bu- sang-Camp das Büro der Geologen mit etlichen Explorationsunterlagen, die Küche und einen Schlafsaal zerstörte?

In der Zwischenzeit kam es hinter der Bühne zu geheimen Treffen zwischen Walsh, Hasan und den Freeport-Leuten. Walsh wollte für sich und Bre-X retten, was es noch zu retten gab. Aber am 17. Februar wurde die Katze aus dem Sack gelassen und der Welt mitgeteilt, dass Busang von Freeport geführt wurde und die Besitzverhältnisse sich wie folgt aufteilten: Freeport bekam 15 Prozent, musste allerdings die geschätzten Kapitalmittel zum Bau der Mine von 1,6 Milliarden US-Dollar allein aufbringen. Bre-X bekam 45 Prozent, die Firma Nusamba, die Hasan gehörte, bekam 30 Prozent des Kuchens und die Regierung bekam zehn Prozent. Was für ein Geschäft! Die Indonesier bekamen 40 Prozent ohne auch nur einen Cent bezahlen zu müssen oder sich gar an den Kosten des Baus beteiligen zu müssen: eine Freifahrkarte zum Ende des Regenbogens.
Der Markt reagierte zuerst nur wenig auf diese Nachricht. Nach dem ewigen Hin und Her um Busang und Bre-X zeigten die Börsianer Ermüdungserscheinungen. Die Bre-X-Aktie schwankte um 20 CAN- Dollar, allerdings stieg der Preis der Freeport-Aktie von 32,50 US- Dollar auf 34,30 US-Dollar.

Was vorher im besten Fall märchenhaft und sagenhaft war, wurde nun zu einem bizarren Trauerspiel. Schließlich wurde auch einer breiteren Öffentlichkeit am Markt klar, was kritischere Analysten wie Mike Martino von Oppenheimer & Co wie folgt ausdrückten: „Die Party ist vorbei, Bre-X wurde in Busang von 90 Prozent auf 45 Prozent verkleinert, ohne dafür einen Cent zu bekommen,“ Als John Felderhof auf einer Telefonkonferenz mit mehreren Analysten von einem Ressourcen-Potenzial von 200 Millionen Unzen Gold für Busang sprach, wurde dies dann auch der Wertpapieraufsichtsbehörde von Ontario, der Ontario Securities Commission, zu viel: Sie verlangte von Felderhof eine öffentliche Richtigstellung dieser durch nichts untermauerten Aussage.

Die Bergbau- und Geologen-Fraternität Kanadas störte dies hingegen wenig. Am 10. März, anlässlich der Jahresversammlung der Prospector and Developer Association of Canada (PDA) in Toronto wurde John Felderhof mit dem prestigeträchtigen Preis „Explorationist of the Year 1997“ ausgezeichnet. Felderhof, Guzman und Walsh sonnten sich in Glanz und Ehre, allerdings nur für wenige Stunden.

Am nächsten Tag, dem 11. März, bekam Felderhof im Royal York Hotel einen Anruf von Jim Moffett aus New Orleans: Nach Probebohrungen auf Busang durch Freeport wurde nicht ein Gramm Gold gefunden, rein gar nichts! Die fatale Kettenreaktion des größten Goldskandals der Geschichte nahm ihren Lauf.

Moffett drängte die Bre-X-Mannschaft, den Geologen Guzman sofort nach Busang zu schicken, um dort mit den Freeport-Geologen Licht in die eklatanten Unterschiede in den Bohrergebnisse von Freeport und Bre-X zu bringen. Zwar sind gewisse Abweichungen normal und nicht jede Bohrung liefert das gleiche Ergebnisse, aber wenn sogenannte Zwillingsbohrungen im Abstand von gerade einmal 1,5 Metern einmal sehr hohe Goldgehalte und einmal gar kein Gold feststellen, dann ist das mehr als erklärungsbedürftig.

Die unterschiedlichen Bohrergebnisse zwangen Bre-X zum Handeln.

Guzman hatte es nicht eilig, nach Busang zurückzukehren. Am 13. März verließ er Toronto Richtung Singapur, um sich dort am 17. März im Mount Elizabeth Hospital seiner jährlichen Untersuchung zu unterziehen. Er blieb noch zwei weitere Tage in Singapur und vergnügte sich dort mit einer Freundin, die er extra aus Jakarta kommen ließ. Erst nachdem den amerikanischen Geologen von Freeport im Camp von Busang fast die Hutschnur platzte, machte sich Guzman auf den Weg nach Balikpapan im Südosten Borneos. Am Vorabend des 19. März, dem Tag seines verhängnisvollen Hubschrauberflugs in Richtung Busang, traf er sich noch mit seinem philippinischen Geologen Rudy Vegas, um über sein bevorstehendes Treffen mit den Freeport-Geologen im Busang- Camp zu sprechen.

Guzman kam nie in Busang an und seine Leiche wurde erst am 23. März nach 250 Metern freiem Fall zerschellt aufgefunden.

Das Verschwinden Guzmans, aber mehr noch die eklatante Diskrepanz zwischen den Bohrwerten von Bre-X und den Prüfbohrungen von Freeport, zwang einige Direktoren und Aufsichtsratsmitglieder von Bre-X zum Handeln, ohne dabei Walsh und Felderhof einzuschalten. Seit gut einem Jahr wurde der Bre-X-Aufsichtsrat in der Exekutive durch einige hervorragende Finanz- und Managementexperten ergänzt. Es war dann auch Bryan Coates, der Finanzchef von Bre-X, der in Absprache mit dem erst jüngst zu Bre-X gestoßenen Vorstandsvorsitzenden Rolly Francisco am 19. März einen alten Bekannten in Toronto anrief, um die Angelegenheit zügig aufzuklären.

Dieser Bekannte war Graham Farquharson, der Chef der renommierten Bergbau- und Explorationsberatungsfirma Strathcona Mineral Services Ltd. in Toronto. Coates bat Farquharson, die Diskrepanz zwischen den Bohrungen aufzuklären. Am selben Abend stimmte der Bre-X-Aufsichtsrat diesem Auftrag zu. Walsh war der festen Überzeugung, dass Freeport die Ergebnisse bewusst manipuliert hatte, um den Bre-X-Aktienpreis zu drücken. Genau das sollte Strathcona aufdecken, um so Bre-X zu rehabilitieren.

Schon drei Tage später, am 22. März, machte sich Farquharson zusammen mit seinen Top-Geologen Flenrik Thalenhorst und Reinhard von Guttenberg auf die Reise nach Indonesien. Thalenhorst und von Guttenberg kamen Anfang der 80er-Jahre für die Metallgesellschaft aus Frankfurt nach Kanada. Nach wenigen Jahren Tätigkeit für das träge deutsche Großunternehmen, das sich etwas glücklos in der internationalen Bergbauszene bewegte, brauchten beide eine berufliche Veränderung. Farquharson erkannte das hohe Potenzial beider Herren und nahm sie Mitte der 80er-Jahre in sein Team auf. Graham begann seine Karriere als Bergingenieur in den 60er-Jahren und hatte sich einen Ruf als erfahrener und integerer Experte im Bergbau- und Rohstoffmetier erworben.