Alles zum halben Preis die Entscheidung der Deutschen Bundesbank GfKF

Alles zum halben Preis die Entscheidung der Deutschen Bundesbank GfKF
Die Bundesbank scheint große Sorge zu haben,” kommentierte ein Chef-Banker den neuen Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, der im Juni 2003 veröffentlicht wurde. In diesem Bericht beschäftigte sich die Bundesbank auf 15 Seiten ausführlich mit der Wahrscheinlichkeit und den Folgen einer Deflation. Die Tatsache, dass sie so viel darüber schrieb, war bemerkenswert, auch wenn die deutschen Verbraucher gemäß einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfKF im Mai 2003 keine sinkenden Preise erwarteten.

Wenn auch die Verbraucher noch keine große Sorge vor Deflation und sinkenden Preisen hatten, so machten sich doch immerhin schon Politiker und Wirtschaftsfachleuten ernste Gedanken darüber. Gemäß einer Umfrage der Wirtschaftszeitung Handelsblatt vom Juni 2003 hielten 42 Prozent der Top-Manager Deutschlands die Gefahr eines allgemeinen Preisverfalls für „sehr hoch“ oder „eher hoch“.

Ein Teil der Führungskräfte bereitete sich auf eine Deflation vor, obwohl sie sie nicht für wahrscheinlich hielten. Als konkrete Maßnahme wurde insbesondere der Abbau der Unternehmensverschuldung intensiviert, da in einer Deflation die reale Last von Verbindlichkeiten steigt. Ende Juni 2003 war es dann fast amtlich: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bank der Notenbanken, warnte davor, dass durch die niedrigen Inflationsraten in den meisten Industrieländern eine weitere Rezession genügen würde, um eine Deflation auszulösen. Was einem Experten Sorgenfalten auf die Stirn zeichnet, könnte den Konsumenten doch eher zu freudigen Äußerungen bewegen: man stelle sich vor, beim Wochenendeinkauf werden alle Waren mit 50 Prozent Rabatt angebo- ten oder beim Autokauf zahlt man 30 Prozent weniger.

Was soll daran schlecht sein? Und was würde es einem Unternehmen schaden, wenn es z. B. für Zulieferteile weniger ausgeben muss und dafür seine Güter günstiger anbieten kann oder das gesparte Geld für andere Investitionen nutzen kann? Unternehmen wollen normalerweise höchstmögliche Gewinne erzielen. Wie aber sollen sie das schaffen, wenn sie durch Wettbewerbsdruck oder durch das wirtschaftliche Umfeld gezwungen werden, zu immer niedrigeren Preisen anzubieten? Möglich ist dies, wenn sie ihre Effizienz steigern. Das beste Beispiel hierfür liefert die Computerindustrie. Die Preise sind seit ewigen Zeiten gefallen, obwohl die Verkäufe gestiegen sind und sowohl Computerhersteller als auch der Handel haben gut dabei verdient. Viele Firmen sind immer besser geworden mit ihren Produkten, ihren Prozessabläufen, ihrem Vertrieb und waren dadurch in der Lage, auch mit fallenden Preisen ordentliche Gewinne zu erzielen.

An diesem Beispiel ist ersichtlich, dass es keinen radikalen Bruch geben muss zwischen den Interessen der Verbraucher, die sich immer niedrigere Preise wünschen, und wirtschaftlicher Gesundheit für die Untenehmen. Was für den Verbraucher gut ist, ist eigentlich für jeden gut, da jeder ein Verbraucher ist. Dennoch behaupten viele Experten, dass fallende Preise Gift für die Konjunktur sind, weil das Geld dann mehr wert ist und Verbraucher keinen Anreiz hätten, das Geld auszugeben. Die Konsumenten würden bei anhaltend sinkenden Preisen ihre Käufe in die Zukunft verschieben, denn sie hoffen darauf, das gleiche Produkt später günstiger zu bekommen. Als Folge davon würden sich die Wirtschaftsaktivitäten verlangsamen, die Nachfrage würde zurückgehen, Investitionen würden aufgeschoben, die Arbeitslosigkeit würde steigen. All diese Annahmen würden jedoch unterstellen, dass die Verbraucher einen Vorteil davon hätten, wenn sie für alle Ewigkeit ihr Geld aufheben und nie mehr etwas kaufen würden, was nicht nur unwahrscheinlich, sondern eher absurd ist. Sicherlich würden fallende Preise zunächst einen Anreiz zum Sparen geben, aber so lange die Neigung zum Sparen da ist, anstatt Geld auszugeben, wird damit der Weg für zukünftiges Wirtschaftswachstum geebnet.

Ein weiterer Sorgenpunkt für viele ist die Auswirkung der Deflation auf die Bezahlung von Schulden. Deflation macht es viel schwieriger, bestehende Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Es ist richtig, dass dann Darlehen in Euro oder Dollar zurückbezahlt werden müssen, die mehr wert sind, als diejenigen, die man sich ausgeliehen hat. Dies ist jedoch immer Teil des Risikos, das man eingeht, wenn man Schulden oder Finanzgeschäfte macht. Wenn jeder den perfekten Vorausblick hätte, würde sich unser Verhalten grundlegend ändern und jeder wäre steinreich. Somit entsteht in einer Deflationszeit ein Negativanreiz zum Schuldenmachen und eine positive Verstärkung der Sparneigung zum Zwecke der Investition in sinnvolle wirtschaftliche Projekte. Letztendlich bedeutet dies eine Belohnung für diejenigen, die einen gesunden und ausgeglichenen Finanzhaushalt haben, ganz gleich ob Unternehmen oder Privatperson. Kommen wir zum Hauptproblem: Die große Depression der dreißiger Jahre steht als Sinnbild für die Tatsache, dass fallende Preise die Wirtschaft zum Erliegen bringen.

Die Ursache für die Depression waren jedoch nicht die fallenden Preise. Diese waren nur die Auswirkung von zahlreichen Fehlern, die in der vorausgegangenen Boom-Phase begangen worden waren und durch die massiven Interventionen der Regierung verstärkt wurden. Schließlich waren es die fallenden Preise und die zurückgehenden Lebenshaltungskosten, die überhaupt ein Überleben für viele möglich machte. Man stelle sich nur einmal vor, was passieren würde, wenn bei einer rückläufigen Konjunktur, bei geringen Ersparnissen, bei hoher Arbeitslosigkeit die Preise kräftig steigen würden! Und man muss sich selbst fragen, ob man für Waren, Dienstleistungen, Mieten lieber mehr oder weniger zahlen möchte, wenn man arbeitslos ist oder um seine Arbeitsstelle bangen muss. Interessanterweise fielen im 19. Jahrhundert die Preise fast immer in Phasen des wirtschaftlichen Wachstums.

Der gesamte Trend der industriellen Revolution in der westlichen Welt war von fallenden Preisen geprägt, wodurch ein immer höherer Lebensstandard für die gesamte Bevölkerung erreicht werden konnte. Trotz oder wegen fallender Preise konnte die allgemeine Gewinnsituation der Unternehmen stabil gehalten werden und trotz oder wegen fallender Preise konnten die Löhne konstant bleiben und dennoch ein echter Kaufkraftzuwachs erzielt werden. Wenn also schon Rezessionen unvermeidlich sind, dann ist es besser, eine Deflation zu haben anstatt einer Inflation, welche die Preise nach oben treibt und damit keinen Anreiz zum Sparen und Investieren in die Zukunft bietet. Inflation verführt zum schnellen Konsum und verbraucht somit Kapital, welches für zukunftsträchtige Investitionen nötig wäre. Auf diese Weise wird die Rezession nicht vermieden, sondern verlängert

Glücklicherweise besitzen die freien Märkte Mechanismen, die dem entgegenwirken. Als Alan Greenspan am 25. Juni 2003 zum dreizehnten Mal in Folge innerhalb von knapp drei Jahren den Leitzins auf 1,0 Prozent senkte, war bereits vorher klar, dass die realwirtschaftlichen Auswirkungen dieser Zinsentscheidung äußerst gering sein dürften.

Denn bereits vor dieser Zinssenkung war die Inflationsrate über dem Leitzins von 1,25 Prozent. Somit waren die realen Finanzierungskosten für Unternehmen und Verbraucher bereits derart niedrig, dass von einem weiteren Zinsschritt kaum mehr Investitionen und Konsumausgaben zu erwarten waren. Insbesondere die Firmen haben als Schutzreflex in einer schrumpfenden Wirtschaft sehr schnell darauf verzichtet, sich noch weiter zu verschulden, ganz gleich, wie billig auch immer man ihnen das Geld anbot.

Noch wenige Wochen zuvor hatte Greenspan weitere Zinssenkungen als „Versicherung“ gegen die Deflation in Aussicht gestellt. Mit dem Erreichen der magischen 1-Prozent-Marke war der Notenbankvorsitzende in einem Bereich angekommen, wo verhältnismäßig bald der Eindruck entstehen konnte, dass er sein Pulver verschossen hatte. Sehr vertrauenserweckend waren die bis zu diesem Zeitpunkt ergriffenen Maßnahmen der Fed ohnehin nicht, da sie sich bis dato ausschließlich auf die Senkung von Zinsen beschränkt hatten und noch keine nennenswerte positive Wirkung gezeigt hatten.

Verstärkt wurden die Zweifel an der Strategie der Deflationsbekämpfung als der Fed-Chef eingestand: „Anders als beim Kampf gegen die Inflation, wissen wir nur sehr wenig darüber, wie wir einer Deflation begegnen sollen.“ Als ein amerikanischer Kongressabgeordneter anlässlich einer parlamentarischen Anhörung fragte, welche Möglichkeiten die Notenbank hätte, wenn der Zins nahe Null sänke, versuchte Greenspan die Politiker zu beruhigen: „Wir haben machtvolle Mittel, um die langfristigen Zinsen zu beeinflussen.“ Er deutete damit an, dass die Notenbank notfalls zu unkonventionellen Maßnahmen greifen könnte und durch den Aufkauf langfristiger Staatsanleihen zusätzliche Liquidität in die Wirtschaft pumpen könnte.

Genau in diesem Punkt jedoch vertrat die Europäische Zentralbank (EZB) eine andere Meinung. Sie war der Auffassung, dass , wenn sich die Zinsen erst einmal zur Nullgrenze hin bewegten, die Möglichkeiten der Geldpolitik weitgehend erschöpft wären und die Wirkung alternativer liquiditätszuführender Maßnahmen begrenzt sei. Auch andere gewichtige Stimmen zweifelten an den Fähigkeiten der Fed, der US-Konjunktur frischen Schub zu verleihen. Der Finanzprofessor Robert Shiller von der Elite-Universität Yale sagte: „Wenn wir einmal in die Deflation rutschen, kann die Geldpolitik mit Zinssenkungen nichts mehr bewirken; das ist dann eine Weile so, als gäbe es gar keine Fed.“ Auch andere Experten warnten bereits vor drastischen Maßnahmen und einer zu starken Lockerung der Geldpolitik, da die zwangsläufige Folge neue, wesentliche höhere Inflation sei. Wenn dieser Fall eintritt, ist Gold die beste Versicherung gegen die Turbulenzen an den Finanzmärkten.